1807 – 1882 USA
In Übersetzungen von
Wie Viele leben wundervoll und
schön
Durch Selbstbeherrschung. Fern
von Selbstgefallen
Froh, klaglos sie zum
Räthselauftrag wallen
Zu dem der heil’ge Geist sie
hieß zu geh’n.
Nicht barfuß, nicht verehrt
kannst Du sie seh’n;
Nicht mit des gold’nen
Glorienscheines Strahlen,
Die Künstler um der Heil’gen
Häupter malen;
Vollendet, sie doch unvollendet
steh’n.
Giotto’s Thurm prangt zu
Toskana’s Ruhme,
Die Lilie von Florenz in Stein
gehau’n –
Ein Ahnen, eine Wonne,
lichtumlacht. –
Des Künstlers hundertjähr’ge
Wunderblume
Die ganz allein blüht in der
Vorzeit Grau’n –
Nichts fehlt ihr jetzt als nur
des Thurmes Pracht.
Der morgende Tag
Spät ist es; meine kleinen
Lämmchen ruh’n
So eng beisammen wie der Herde
Schaar;
Schlaflos anrufen Uhren laut
und klar
Die Stunden, die vorbeizieh’n,
nimmer ruhn
So wie’s am Thurm und Treppe
Wachen thun. –
Die Hähne kräh’n von fern so
sonderbar;
Durch’s Thor, das vor der Zeit
geöffnet war,
Der nächste Tag mit frischem
Hauch’ schlüpft nun.
Der nächste Tag!
Geheimnißvoller Gast,
Der ruft: „an Barmecides denke
immer,
Ach zittre, daß Du Glück wie
andre hast!“
Zur Antwort nimm: „Zufrieden
bin ich ja;
Darf fragen nicht; das Beste
kenn’ ich nimmer
Gott hat beschlossen Alles, was
geschah.
Die Milchstraße
Du Strahlenfluß, Du Ätherstrom der Luft,
Auf dessen Grunde flimmernd Sterne strahlen,
Wie Gold- und Silbersand in Schluchtenthalen
Dort, wo der Bergstrom ließ des Bettes Gruft!
Der Spanier sieht den Pfad in Deiner Kluft,
Auf dem bei stiller Nacht in Glutenstrahlen
Der Himmelsrüstung stieg zu erdenthalen
Sein heil'ger Schutzpatron aus klarer Luft.
Ihn seh' ich nicht; kann auch die Mähr nicht finden
Von Phaeton's wilder Fahrt, den Himmel sengend
Wohin nur trat der glüh'nden Rosse Paar. -
Doch weiße Welten wogen ob dunk'len Gründen,
Den Sternenstaub aufwirbelnd, niederdrängend
Von Gottes Wagenrädern, unsichtbar.
Das zerbrochene Ruder
Ein Dichter ging an Island's ödem Strande
Mit Buch und Feder, suchte zu ergründen
Ein Schlußwort, ein süß Amen aufzufinden
Für's Werk das liebend seine Hand umspannte.
Die Wogen rollten vorwärts auf dem Lande,
Die Möven sah er seinem Blick' entschwinden,
Und dann und wann von flieh'nden Wolkengründen
Die Sonne flammte über Meer und Lande.
Da ein zerbroch'nes Ruder warfen nieder
Die Wellen; d'rauf las er vor Wonne bebend:
"Müd' war ich oft, mußt' ich mit Dir mich quälen;"
Wie Der, der findet das Verlor'ne wieder,
Schrieb er die Worte, warf, sein Haupt erhebend,
Hin die nutzlose Feder in die Wellen.
I.
An einem Kirchenthore oft ich
ah
den Arbeitsmann vor Staub und
Hitze weilen,
Die Last hinlegen, in die
Kirche eilen
Mit gläub’gem Schritt. Sich
kreuzend fiel er da
Auf’s Knie und betete den
Heil’gen nah,
Wo ihn der Weltlärm konnte
nicht ereilen;
Der Straßen Toben schien sich
zu zertheilen,
Ein Murmeln schien’s entfernt
und nicht mehr nah.
So tret’ auch ich hier Tag für
Tag herein,
Laß meine Bürden an des Domes
Pforte,
Knie’ hin und bete, stolz ein
Christ zu sein.
Es schwinden der trostlosen
Zeiten Worte
Und scheinen leises Murmeln nur
allein;
Die ew’ge Zeit bewacht der
Zukunft Pforte.
II.
Merkwürdig dieses Thurm’s
Sculpturen seh’n,
Die Statuen, in deren
Aermelfalten
die Vögel nisten; Blätterhimmel
halten
Bedeckt Portal und Halle rings
so schön.
Ein Blumenkranz scheint dort
der Dom zu steh’n,
Doch an den Traufen Teufel,
Drachgestalten,
Wacht bei dem todten Christ,
den beiden Dieben halten;
Von unten Judas Augen lauernd
seh’n.
Von welcher Herzens-, welcher
Seelenpein,
Von welchem wildverzweifelten
Erbeben
Von welcher Liebe, Thränen heiß
und bang,
Von welchen angsterfüllten
Hilfeschrei’n
Seh’ ich dies Erd- und
Luftgedicht sich heben,
Des Mittelalters wunderbaren
Sang.
III.
Ich trete ein; in langer Gänge
Nacht
Seh’ ich Dich ernster Dichter, bin
bestrebt
Zu folgen Deinem Schritt’, der
vor mir schwebt;
Der Aether wunderbaren Duft
entfacht.
Die Todten treten auf die Seite
sacht,
Daß Raum für Dich; der Kerzen
Schimmer bebt;
Wie Vögel in Ravenna’s Hain
erhebt
Des Echos Klang sich aus der
Gräber Pracht.
Vom Beichtstuhl klagen alte
Trauerspiele;
Von Neuem steigen aus dem
Grabgewühle
Der Geister Klagen jammernd in
die Höh’.
Und eine Himmelsstimme hör’ ich
künden:
Wenn gleich blutroth sind Eurer
Seelen Sünden
Sie sollen alle werden weiß wie
Schnee.
IV.
Im weißen Schleier und im
Glutgewand
Steht sie vor Dir die einst
Dein junges Herz
Mit Leidenschaft erfüllt, mit
Sehnsuchtsschmerz,
Bei der Derin Lied all seine
Gluten fand.
Als Deinen Namen zürnend sie
genannt.
Zerschmilzt wie Schnee auf Bergeshöh’n
Dein Herz,
Vor Scham strömt über Deiner
Seele Schmerz,
Und Deine Lippen schluchzen
unverwandt.
Du beichtest Alles. morgendämm’rungsglanz
Scheint, wie den dunklen Wald,
Dir zu umbeben
Die Stirne, welche sich zu ihr
erhebt,
Lethe und Eunoe – Dein
Traumesglanz,
Vergess’nes Elend, - Alles ist
vergeben,
Und sel’ger Himmelsfrieden Dich
durchbebt.
V.
Ich blick’ empor und jedes
Fenster strahlt
Von todten Heil’gen, die im
Glaubensstreite
Gemartert erst, verklärt dann
ob dem Leide;
Der mächt’gen Rose Blätter sind
bemalt
Mit Engelsang, mit Christ’s
Triumphgewalt;
Glanz häuft auf Glanz sich und
an Dante’s Seite
Steht Beatrice wieder, strahlt
vor Freude,
Zürnt nicht, ihr Liebeswort ihr
Lächeln malt.
Die Orgel rauscht und Chöre,
unsichtbar
Latein’sche Friedens-,
Liebes-Lieder singen
Und segen Dir ertheilt der
heil’ge Geist.
Vom Thurm’ das Läuten tönt
melosisch klar;
Der Stadt, dem Himmel will’s
die Kunde bringen
daß jetzt die Hostie der
Priester weist.
VI.
O!
Morgenstern! Der
Freiheit Stern! so rein
Strahlt uns Dein gold’ner Glanz
der flimmern macht
Durch seinen Schein der
Appeninen Pracht,
Vorbote ist des Tag’s, der bald
wird sein.
Von Stadt und Meer, von Bergen,
aus dem Hain
Hallt wieder Deiner
Zauberstrophen Macht;
wer sie gelesen, hat an Dich
gedacht
Italien! geträumt bei Dir zu
sein.
Dein Ruhm strömt von den Bergen
rings umher
Durch Völker, und es rauscht
ein Klang
Wie Sturmeswind; der Mensch
andächtig kniet.
Roms Fremdlinge, Bekehrte grüßt
so hehr
In ihrer Sprache Laut Dein
Wundersang;
Bald Staunen, Schrecken bald
ihr Herz durchzieht.
I.
Denk’ ich an Euch, Ihr Freunde,
einstmals mein,
Die Ihr so edel wart, nun nicht
mehr hier,
Die Ihr wart mehr als Freunde
lange mir,
Und deren Wort war gleich dem
edlen Wein’,
Ein göttlich Etwas dringt in’s
Herz hinein
Das Euch verklärt, das uns läßt
sehen hier
Des Menschen Urbild, das die
erste Zier
Des Vorwurfs der Natur hätt’
können sein;
Umsonst such’ Eure Hände ich zu
fassen,
Ich kann nicht finden sie;
Nichts blieb mir mehr
Als der Erinn’rung hehre
Strahlensonne;
Ich muß Euch im Elysium wandern
lassen,
Vielleicht mein denkend, der
Euch mißt so schwer,
Und beim Erinnern lächelnd
voller Wonne.
II.
Geburtsland mußte Attila Dir
sein,
Ioniens Inseln, oder wo
umfangen
Von Meeresarmen die Cycladen
prangen,
So warst du Grieche ganz, so
kindlich rein
O! Philhelene! war Dein
Lebensfreu’n;
Die Att’schen Bienen Dir ihr
Murmeln sangen;
Ein Plato hat als Freund Dich
oft empfangen,
Homer und Socrates sie waren
Dein,
Der Vorzeit Odem hauchte Dir
Legenden;
Du sahst Poseidon in dem
Purpurmeer’,
Jasons gold’nes Flies im
Abendglühen;
Was greifst Du nach des Todes
grausen Händen,
Der Du voll Lebenskraft? was
kommt hierher
Der Tod, daß Du hinstirbst im
Jugendblühen!
III.
Bin wieder an dem wohlbekannten
Strande,
Vernehm’ das Rauschen von dem
wilden Meer’,
Es ruft Dich traurig, klagt um
Dich so schwer,
Zur Hüttenthür’ es watet in dem
sande;
Die Felsen und das Gras am
Meeresrande,
Die Weiden auf den Wiesen rings
umher,
Des Oceans Sturmwind grüßen
mich so hehr;
Ach! warum starbst Du, kommst
nicht mehr zum Strande?
Ach! warum starbst Du, während
emsig treibt
Gemeinheit ihre kleinlichen
Geschäfte,
Erwerb sucht, und nur trachtet
nach Gewinn’?
Wenn Du gelesen was Natur uns
schreibt
Im Räthselbuch’, enthüllt hast
ihre Kräfte,
Was schweigst Du? weshalb
sankst ins Grab du hin?
IV.
Strom, der mit stillen
Schritten leise schleicht
Rings um die Todtenstadt, wo
liegt begraben
Ein Freund, wie Du genannt, an
dem sich laben
Nicht mehr mein Blick kann, der
nicht mehr sich zeigt;
Schließ’ ihn in Deine Arme
sanft und leicht,
Sag’ gute Nacht ihm; roth
gefärbt sich haben
Die Wolken, Nebel Alles rings
begraben,
Wie Dunst, der der Entschlafnen
Antlitz bleicht.
Gut Nacht! Gut Nacht! wie wir
so oft gesagt
Hier unter diesem Dach um
Mitternacht,
In Zeiten, die entfloh’n, nie
wieder kommen.
Du nahmst Dein Lämpchen, gingst
zu Bett’; ich wart’
Ein wenig länger, wie der, der
drauf harrt
Zu decken Kohlen, die nicht
ganz verglommen.
V.
Weit offen allen Thüren steh’n,
am Thor’
Der blüh’nde Flieder heuchelt
Sonnenglut
Die Luft zu wärmen; wie
Verhängniß ruht
Auf Brighton’s Matten träumend
Nebelflor;
Der Carlsstrom schreibt auf
ihren Rand empor
Des Namens letzte Zeichen mit
der Flut
Des Meer’s, sein rastlos Wogen
plötzlich ruht,
Als müss’ er warten, dürf’
nicht weiter vor.
So harr’ auch ich; nie kehren
hier zur Stelle
Die treuen Freunde, deren
Strahlenspur
Des Herzens Durst und Hunger
mir einst stillte;
Den Weg vergaßen sie zu meiner
Schwelle,
Seitdem sie fort, schwand Etwas
der Natur;
Kein Sommer gleicht des
früh’ren Sommers Bilde.
Ein alter Mann, im Haus’ am
Waldeshange,
Daß Zimmerwände sind bemalt gar
bunt
Mit Falken, Jägern, mit dem
treuen Hund’,
erlegtem Wild’, er lauscht der
Lerchen Sange,
Der mit der Sonne schlüpft, wie
eine Schlange,
Durch des in Blei gefaßten
Glases Rund,
Er lauscht dem Klang’, es
lächelt lieb sein Mund;
Dann wie ein Mönch schreibt in
ein Buch er lange.
Des Morgens Dichter ist es, der
geschrieben
Die Mähr von Canterbury, der
verklärt
Sein Alter mit Gesang; beim
Lesen höre
Ich Hahnschrei – Lerchen-
Hänflingssang, den lieben,
Und jede saite mir den Duft bescheert
Vom Ackerfeld’, vom
Wiesenblumenmeere.
Ein Bild von Straßen, drinnen
Volksgedränge,
Des Menschenlebens ewig
schnelle Wogen;
Der Lärmen in der durchfahrt
engen Bogen;
Der Schlachttrommeten wilde
Donnerklänge;
Der Thürme Läuten;
Kinderrundgesänge;
Schrei’n der Matrosen, wild und
ungezogen;
Und schöne Blumen, die so
lieblich wogen
Von Gartenmauern süßer Düfte
Menge; -
Solch Bild ich sehe, wenn ich
aufgeschlagen
Das Werk des großen Dichters;
lieb beglückten
Nicht eine – alle Musen ihren
Sohn; -
Die goldne Leyer hießen sie ihn
tragen,
Mit heil’gem Lorbeer sie am
Quell’ ihn schmückten,
Ihn führten, wie Apollon auf
den Thron.
Ich geh’ am hall’nden
Seestrand’, sehe wogen
Die mächt’gen Wellen, rollend
her und hin,
Hinauf, hinab; indeß der Sonne
Glüh’n
Durchblitzt die Falten der
smaragd’nen Bogen;
Die neunte Woge sammelt sammelt
die Faltenwogen
Des flatternden Gewands in
Eins, - dahin
Stürzt auf den Strand sie,
macht von Gold erglüh’n
Den düst’ren Strand, bleich,
weit dahingezogen.
So steigt und sinkt in
majestät’schem Falle,
England’s Mäoniders, Du blinder
Barde,
Dein mächt’ges Liebesmeer, dein
Zaubersang;
Und immer hoch erhoben über
Alle
Die neunte Woge von der stolzen
Warte
Die Seele überströmt mit
Meeresklang’!
Endymion schläft Endymion’s
Schlaf; der Laut
Des Hirtenknabens stockte sanft
und mild;
Der Wald hebt feierlich sein
gold’nes Schild
Zum rothen Mond’, der
aufsteigt; tief und laut
Die Nachtigall vom Hange singt
so traut;
Hochsommer ist’s, doch Kühle
ihn erfüllt.
Ist tot er? Bei der Herde, springend wild,
Zerknickt Dein Blick ein
Hirtenpfeifchen schaut.
Sieh! in dem Mond’ glänzt licht
ein Marmorstein,
Geschrieben steht darauf: „Hier
Einer ruht
Deß Name im Wasser nur
geschrieben war.
War dies des holden Sanges
Lohn? O, nein,
Hier sollte steh’n: „eh’
rauchender Flachs wird Glut,
Tod löschte ihn; der Halm
vernichtet war.“
Um Mitternacht vom Schlaf’ fuhr
auf das Meer,
Und auf der stein’gen Küste
weiten Gängen
Die erste Flutenwoge hörte ich
drängen,
Ununterbrochen rauschend, dumpf
und schwer;
Ein Ton der Oceanstille rings
umher,
Ein Klang, vermehrt zu tausend
Räthselklängen,
Wie Katarakte, die die Felsen
sprengen,
Wie auf dem Maldeshang’ der
Stürme Heer.
So kommt oft von des Daseins
öden Hallen,
Von dieses Lebens unbekannten
Schranken
Zu uns das Rauschen uns’rer
Seelenflut;
Eingebungen, die wir für eig’ne
halten,
Sind Gottesahnung himmlischer
Gedanken
Die der Vernunft im All
verborgen ruht.
Die Sonne sank; von ihren tetzten
Strahlen
Blitzt jenes Wölkchen, goldig,
eschengrau;
Wie des Propheten Mantel
langsam schau’
Ich’s auf den Ambraäther
niederwallen.
Von dunklen Klippen
Leuchtturmblitze fallen,
Des Meerpfad’s Lampen; oben
dunkelblau
Der Nächte Banner grüßt die Sternenau;
Der Tag sank in der Träume
Zauberhallen.
O, Sommertag bei lust’gen
Meeresreigen!
O, Sommertag so wundervoll und
klar,
So voller Lust, - so voller
Schmerz und Klagen!
Ach, immer, immer sieht aus Dir
entsteigen
Ein Herz den Grabstein einer
Lust die war, -
Und eins den Markstein neuer
Lande ragen!
Auf langen, öden Küsten
ringsumher
Sah ich das Seegras, Muscheln
auf dem Sande;
Nackt dunk’le Felsen ragten an
dem Strande,
Als wolle flieh’n die Ebbe
nimmermehr.
Da hörte ich athmen lauter als
vorher
Den Ocean, die mächt’ge Brust
er spannte,
Und rasend stürzte zum
wehrlosen Lande
Mit wildem Tosen das empörte
Meer.
Ich rief:“Sehnsucht, Gedanken,
Glutempfinden,
Frohsinn und Liebe, des
Gesanges Lust
In’s Lebensmeer mir sanken alle
nieder!“
Da plötzlich aus des tiefen
Oceans Gründen
Ein Wonnemeer durchströmte
meine Brust,
Erhob, wie Jugend, stark und
schön mich wieder.
’s ward ausgemustert der Union
Soldat!“
Auf einem unbekannten Grab’
dies steht
in Newport News, von salz’ger
Flut umweht,
Namlos und datumlos; durchbohrt
ihn hat
Vielleicht als Posten der
Eisenkeile Saat,
Die in dem Handgemenge
hingemäht
Der Braven Reih’n, wo die
Redoute steht
Der todtgeweiht sie stürmend
sich genaht.
Du unbekannter Held, beim Meere
hier
Sanft schlummernd im
vergess’nen Grab, ich fühle
Beschämt den Pulsschlag, meine
Stirn ist heiß
Denk’ ich daran, daß Du
geopfert mir
Was Dein war, - Namen, Deines
Lebens Ziele;
Daß ich Dir nichts dafür zu
geben weiß.
Lullt mich in Schlaf, ihr
Winde! Eure Weisen
Sie gleichen schwachen
Aeolsharfenhauchen;
Schließt der Gedanken hundert
wache Augen,
Wie Hermes hat mit Leyerklang
dem leisen
Des Argus hundert Augen
schlummern heißen.
Von Arbeit übermannt kann Ruh’
ich brauchen;
Müd’ bin ich, Sorgen mir am
Herzen saugen,
Mein Haupt drückt schwer der
Qualenkranz von Eisen.
Leg’ mir auf Stirn’ und Wangen
sanft die Hände
Friedvoller Schlaf! bis ich,
vom Weh’ erlöst.
Kann wieder athmen frei zu
meinem Gott!
Schön sagt der Grieche, daß in
Dir er fände
Das kleinere Geheimniß für das
Fest, -
Das größere Geheimniß ist der
Tod!
Wie Mutterliebe, wenn der Tag
vergangen,
An ihrer Hand ihr Kindchen
führt zu Bette,
Halb folgt’s, halb will es
nicht zur Ruhestätte,
Läßt’s Spielzeug liegen d’rum
die Stücke hangen,
Noch blickt es durch die Thüre
voll Verlangen,
Besorgt ob’s morgen, wie’s
versprochen, hätte
Ein neues Spielzeug an des
alten Stätte,
Nicht lieber ihm, mag’s auch
wohl schöner prangen,
So macht es die Natur; sie läßt
im Leben
Ein Spielzeug nach dem andern
uns vergehen,
Führt lieb uns an der Hand zum
Ruhekissen;
Wir wissen nicht, sollen geh’n
wir, widerstreben;
Zu müde sind wir um noch zu
verstehen
Wie’s Unerforschte übersteigt
das Wissen.
Hier liegt der junge Humosist,
verschieden
Als ihm des Ruhm’s Nachsommer
aufgegangen;
Ein schlichter Stein den
Ruh’platz hält umfangen
Am Strom’ den er geliebt,
gerühmt hienieden.
Nur Nam’ und Datum ward dem
Stein’ beschieden,
Hierher ist er im Lebensherbst’
gegangen,
Doch Strahlenfarben hielten
reich umfangen,
Die trock’nen Lebensblätter daß
sie glühten.
Wie lieblich war sein Leben;
sein Tod wie wonnig.
Im Leben mit Lust beflügelnd
Leidensstunden,
Das Herz erfreuend mit
romant’schen Sagen;
Im Tod’ ließ er zurück
Erinnern, sonnig,
Mit kühlen Regenschauern lieb
verbunden,
Ein Aetherhauch, bald Weh, bald
Lustbehagen.
Du alte Eiche! aus Deinen
Blättern schwellen
Laut Wortesklänge die nicht zu
verstehen;
Wie Volksgemurmel sie herniederwehen,
Leis rauschen wie vom
Steingrund’ Bachesschwellen;
Geheimnißvolle Laute Dir
entquellen;
Verschied’ne Sprachen scheinst
Du zu verstehen,
Zu mir sprichst Du, was niemand
kann verstehen,
Von den Geschlecht’ das längst
ließ Zeit zerschellen.
In Deinen Schatten saß vor
langen Jahren
Wie Abraham unter Mamre’s
mächt’gen Eichen,
Am Abend’ Eliot, der unbekannte
Prophet der Indianer, schrieb
erfahren
Dort seine Bibel mit längst
verschwund’nen Zeichen;
Der längst Vergess’ne, Dir nur
noch Bekannte.
Neun schöne Schwestern,
herrliche Gestalten,
Sah man aus des Olympos
Strahlenreichen
Von ihrem Heim’ der Wonne
niedersteigen,
Beim Volk’ am Fuß’ des Berg’s
sich aufzuhalten;
Verändert schien die Welt;
Zeit, Raum, das Walten
Der hellen Tage, der Nächte,
der sternenreichen,
Die Menschheit, Sitten, Klänge,
alle Zeichen
Ganz anders schien sich,
göttlich zu gestalten.
Stolz waren wohl die
Schwestern, doch begannen
In Schulen und in Städtchen sie
zu lehren
Die schönen Künste, Wissenschaft
und Sänge;
Und während Männer pflügten,
Weiber spannen
In selbstgewobnen Kleidern,
ließen lehren
Die Töchter sich der Pieriden
Klänge.
Du weißer Stadtschwan,
schlummernd in dem Neste
So schön erbau’t in den
Lagunenrieden,
Durch welche Schutz und Nahrung
Dir beschieden,
Wie’s die Geschichte sagt und
Deine Gäste;
Du Wasserlilie, eingewiegt
auf’s Beste
Vom Ocean’ und der Moore
stillen Frieden,
Die gold’nen Fädchen lüftend
von den Rieden,
Dein Kronenhaupt, die sonnigen
Paläste!
Du weißes Stadtphantom! Des Meeres Wogen
Sind Deine Straßen, und Dein
Pflaster linde
Palästeschatten,
Himmelsstreichen, bebend.
Ich fürchte Dich wie der
Morgana Wogen
Entflieh’n zu seh’n, wie die
Wolkenburg vor’m Winde
Mit duft’gen Mauern zu dem Aether
schwebend.
Ihr todten Dichter, lebend noch
in Sängen
Unsterblich fort, ob auch
entfloh’n das Leben;
Ihr lebenden, die Ihr schon
todt im Leben
Wenn Unbeachtetsein das Herz
kann sprengen,
Sagt, wart Ihr bei den
schwersten Leidensgängen,
Als blut’ge Schmerzenstropfen
ihr saht beben
Vom Haupt’, die an der
Dornenkrone kleben,
Nicht froh der Zukunft Pforte
aufzusprengen?
Ihr wart’s; des sang’s
geheimnißvolle Gabe
So etwas Göttlichschönes hält
geborgen
Daß sie uns stillt des Elend’s
bitt’re Sorgen.
Nicht das Geschrei der Menge je
uns labe,
Ihr Ruf und Beifall nicht; in
uns’ren Seelen
Allein ruht der Triumph und das
Verfehlen.
Sommer 1875 in Braunschweig
Ich lernte kennen vieler
Menschen Leben,
Doch keins so licht, so lieb
hab’ ich gefunden,
Das sich vollendet wußte
abzurunden
Als sein’s, dem dieser
Leichenstein gegeben;
Hier diese Fichten, die leis
flüsternd beben,
Die Gänge für der Schüler freie
Stunden,
Waren die Welt ihm, Frieden hat
er gefunden,
Sah seinen Lehrstuhl sich zum
Thron erheben.
Gern liebt Erinn’rung bei den
alten Tagen
Zu weilen, wo sein Beispiel,
Schrift und Worte,
Und Arbeit nur zum
Zeitvertreibe machte;
Jetzt ruht er friedlich hier wo
Gräber ragen
Nichts lockt ihn von dem
schattigstillen Orte;
Gott „Amen!“ sprach, vom
Schlummer er erwachte.
Das ist der Herbstmond! Auf den gold’nen Fahnen,
Auf Dörferdächern und auf
Wälderkronen,
Auf Nestern d’rin die Vögel
nicht mehr wohnen,
Auf Fensterscheiben, deren
Vorhang ahnen
Ein schlummernd Kindchen läßt,
auf Felderplanen
Und Erntefeldern blieb sein
Schimmer thronen;
Fort floh’n die Vögel zu des
Süden’s Zonen;
Den letzten Garben das Heim die
Wagen bahnen.
Symbol ist Alles; die
Naturgebilde
In den Gedanken sich uns
wiederspiegeln
Wie Blumen, Früchte, und der
Blätter Fallen;
Die Vögel flieh’n wenn flieht
des Sommer’s Milde,
Die leeren Nester ihre Flucht
besiegeln,
Und Wachtelschlag, den leis wir
hören hallen.
Du Stromesfürst, geboren von
Sonne und Regen
In alpenglutdurchbebten
Purpurhallen
Schneehermeline Deine Brust
umwallen,
So fleckenrein; die Wetter Dich
umfegen!
Geharnschtem Ritter gleich
stürz’st Du verwegen, -
Die Eisenpanzer Deiner Rüstung
hallen, -
Den Bergesströmen, die Dir als
Vasallen
Gehorchen, in dem Thalesgrund’
entgegen;
Jetzt triumphierend wälzest Du
die Wogen,
Der ströme König! Ihren Gruß zu
bringen,
An deinen Ufern harren hundert
Städte;
Es wölben Brücken Dir die
stolzen Bogen,
Und Weingelände rings Dich lieb
umschlingen,
Es lauscht auf dich das Meer im
Riesenbette.
(An John Greenlas Witthier)
Drei Schweigen gibt es, das der
Sprachenlaute,
Der Wünsche dann, und der
Gedanken Schweigen;
Dies, schwärmend in der
Phantasien Reichen,
Ein span’scher Mönch als
Wahrspruch uns vertraute.
In diesen Schweigen, einend
sich, er schaute
Das völl’ge, unaussprechlich
tiefe Schweigen
Um das er flehte, das aus jenen
Reichen
Ihm kündete geheimnißvolle
Laute.
Du, der vorausempfindet hier im
Leben
Schon jenes; dessen Wort und
deß Gedanke
Die Geisterwelt so wunderbar
durchhallte,
Einsiedler von Amesbury!
entschweben
Hörst Stimmen Du jenseits der
Erdenschranke;
Sprichst nur wenn’s Herz Dir
voll Begeist’rung wallte.
I.
Der Glocke Stundenzeiger bewegt
sich leise,
So langsam, daß es können
Menschenaugen
Entdecken nicht! ’s bemalte
Schiff enttauchen
Seh’ ich durch Sonn’ und Regen,
seine Reise
Langsam vollendend heim im
Stundenkreise
Bis Beide am Ziel’, Im Thurm’ mit müden Augen
Der Wächter schlägt die Stunde,
lieblich hauchen
Die Lüfte sanft die
melanchol’sche Weise.
O, Mitternacht! Vorposten vom Tagesscheine,
Grenzstadt der Nacht, und ihre
Citadelle,
Der Zeiten Wasserscheide,
d’raus entschäumen
Das Gestern und das Heute uns;
das Eine
Zum Land’ der Hoffnung, zu des
Lichtes Helle,
Das and’re zu dem dunklen Land’
von Träumen.
II.
Du Strom von Gestern, hin durch
Schluchten fallend
Im schnellen lauf’, den Blicken
bald entschwunden,
Ich will nicht folgen Deinen
flücht’gen Stunden
Den welken Blättern, Dir am
Busen wallend.
Du Strom von Morgen, mit Dir,
fröhlich hallend,
Zieh’ ich dahin, gleich wie die
Nacht verschwunden
Im Morgen ist; in seinen
Strahlenstunden
Die Schatten flieh’n im
wechselnden Verfallen!
Ich folge Dir zu Deiner wasser
Gründen
Durch unbekannte, stille
Wunderauen
Voll Blumenduft, von Liederlust
umfangen.
Ich folge Dir; die Sonne werd’
ich finden;
Das Wahre wird die Zukunft mir
vertrauen,
Wenn ich nicht selbst im
Irrthum’ bin befangen.
III.
O, Strom von Gestern, durch die
dunkel’n Klüfte
Zur Tiefe stürzend, ich vernahm
im Regen
Dein Seufzen, Deine Stimme sich
bewegen
Mit ander’n Stimmen durch das
Reich der Lüfte;
Ich rief Dich, doch Du stürzest
durch die Grüfte
Voll Selbstzufriedenheit dem Tod’
entgegen,
Wie Wasser die hin über Kiesel
fegen;
Du wolltest athmen nicht der
Lieder Düfte.
Gedanken, gleichend schnellem
Flügelrauschen,
Schmerz beim Erinner’n an
vergang’ne Zeiten,
Prophet’sche Winke von der
Zukunft Leben,
Ahnung und Hoffnung Dinge zu
erlauschen,
Uns bleibend, waren Engel uns
zu leiten,
Dir dank’ ich sie, Du hast sie
mir gegeben.
IV.
Und Du o, Strom von Morgen,
niedersteigend
Durch Deine engen, ries’gen
Demanthallen,
Doch herrlich mit den weißen
Wasserfallen
Und Nebeln, Händen gleich den
Pfad uns zeigend;
Des Morgen’s Weh’n hör’ ich,
Trommeten gleichend,
Die mächt’ge Stimme hör’ ich
immer hallen,
Und seh’ wie Ossian in Morven’s
Hallen
Phantome nah’n, mir winkend,
dann entweichend!
Geheimnißvolles, das uns Unbekannte
Bezaubert uns; noch Kinder sind
wir immer
Voll laun’scher Wünsche;
ängstlich wir umschlingen
Mit einer Hand das Liebe, uns
Bekannte,
Entschlossen tastend mit der
ander’n immer
In’s Dunkel Dessen was der Tag
wird bringen.
St. Botolph’s Stadt!
Durch Moore und flache Lande
Von Lincolnshire ein
Sachsen-Mönch hierher
Einst kam, ein Kloster hat
gegründet er,
Es ward zerstört von Dänischer
Räuberbande
So daß kein Mensch mehr seine
Spur erkannte;
Sein Name, nur genannt im Land’
umher,
In ander’n Hemisphären hallend
hehr,
Hat überlebt den Schmuck den
man verbrannte.
St. Botolph’s Stadt! Dein schöner Thurm noch blicket
Viel Meilen über Land und
Meereswallen,
Weit hört man rings noch seiner
Glocken Läuten;
Dein heil’ger Name sei genannt
entzücket,
Ein Markstein, ein Symbol: wie
mächtig hallen,
Wie viel ein einz’ges Wort uns
kann bedeuten.
Steh’ unter’m Baum’ deß Zweige
lieb beschatten
Dein westlich Fenster Dir, St.
John’s Kapelle!
Die Blätter rauschen ihres
Segen’s Quelle
Dem, dessen Hände Dich
errichtet hatten.
Ich denk’ an Einen, von dem im
Todesschatten
Man sprach: „sieh Deinen
Sohn!“ An dieser Stelle
Seh’ ich ihn wandern noch in
Strahlenhelle
Erharrend Den, den sie erwartet
hatten.
Nicht der Apostel Zungen nur
uns künden
Des Licht’s, der Liebe Lehren,
diese Zweige,
Bedeckend Dich, mit allen
Blättern flehen
Und klar wie Menschenworte uns
verkünden:
„Zu Euch sich immer segnend
niederneige
Der Frieden Gottes, den wir
nicht verstehen.“
O, daß ein Lied von selber mir
erklänge
Vom Herzen der Natur, vom
Menschenherzen
Das die Natur, nicht Kunst,
gebar mit Schmerzen.
Wie’s Meer so salzig, frisch
wie Morgensänge;
Erfüllt mit so viel bitter’n
Krautes Menge,
Arz’nei um solche Trägheit
auszumerzen,
Die wallen macht das Blut in
meinem Herzen
Daß sie die dumpfe Lethargie
bezwänge!
O Gott! der Lieder Hauch haucht
nicht für immer
Uns an. Dem Wind’ er gleicht; nach seinem Willen
Er braust, nach unser’m nicht;
nicht zaudert lange;
Wir hören seinen Ton, doch
wissen nimmer
Woher er kommt, blitzschnell
die Luft zu füllen,
Noch auch wohin sein laun’scher
Lauf gelange.
In dieser ländlichen Klause in
Vorzeittagen
Alfred, der große Sachsenkönig,
scheuchte
Die Herrschersorgen fort, den
Ruhm erreichte
Des Römers Tröstungen zu
übertragen:
Hier Geoffrey Chauçer mit dem
Haupt’ dem grauen
Die wundervolle Mährchenwelt
erzeugte
Die keines Nebenbuhlers Geist
erreichte,
Die er stets unvollendet mußte
schauen.
Zwei kön’ge waren’s die nach
Götterrechten
Regierten; einer in dem Reich
der Wahrheit,
Der and’re im Romanzenreich’,
den hehren.
Welch’ Sprosse, ausgerüstet mit
den Mächten
Der Jugendkraft und hoher
Geistesklarheit,
Wird erben ihren Ruhm und ihn
vermehren?
(Eine Photographie)
Wie hold seh’ Euer Antlitz ich
sich neigen
Als wolltet Ihr vom
Schlossesfenster sehen
Schier einen Aufzug durch die
Stadt hin gehen,
Die Schönsten selbst im ganzen
Bild’, dem reichen;
Ernst, und mit sanfter Anmuth
ohne Gleichen
Dreifache Kronen Euer Haupt
umwehen,
Schönheit und Jugend, was
befleckt nie sehen
Ihr solltet, eines großen
Namens Zeichen!
Aus Eu’ren sanften,
schuldlos-lieben Blicken
Drei Geister schuldlos mit des
Himmel’s Weihe
Zur erde schau’n, zum Himmel
voller Liebe.
Horch, auf der Straße singt man
voll Entzücken:
Glaube und Hoffnung, Liebe,
diese Dreie,
Und von den Drei’n das größte
ist – die Liebe.
Das sind die heiligsten der
Feiertage
Die wir mit uns stumm und
allein verleben;
Wenn überströmend die Gefühle
beben
Geheimnißvoll vom
Herzensjahrestage.
Rein bringen sie uns wolkenlose
Tage,
Auflodernd aus dem Dunkel;
Wonne bebend
Wie aus der Arche Glut; gleich
Schwalben schwebend
Die Wünsche, übertönend
Sturmesklage!
Weiß wie der Glanz vom Segel am
Himmelsrande,
Weiß wie die Wolke, schwingend
in Aetherräumen,
Weiß wie die weiße Lilie auf
dem Weiher
Ist solch Erinnern; Mähr vom
Wunderlande
Und wie ein Landschaftsbild von
dem wir träumen,
Uns unbekannt, doch schön im Mährchenschleier.
Laß Deine Lanze, Dichter! von
der meinen
Berühren nicht wie im
Turniergefilde
Damit berühren Ritter
Gegnerschilde
Als Ford’rungszeichen; laß sie
Dir erscheinen,
Als Zeichen der Bewunderung,
der reinen
Von Deiner Meisterschaft
erhab’nem Bilde;
Verbergen will ich nicht, was
mich erfüllte,
Mein Lob von Deinem Sang’ dem
göttlichreinen.
Du süßer Herzenssänger gleichst
ja nimmer
Dem Derwisch der wahnsinnig
seine Sänge
Hinausheult bis der Geist im
Wahn’ verloren,
Nein Dir gebührt des
Lorbeerkranzes Schimmer,
Dir rauschen uns’rer treuen
Liebe Klänge
Weil Du der Dichtkunst Treue
zugeschworen.
Diese mächt’gen Fichten wie
zwei Thürme ragen,
Voll Tannenzapfen ihre Wipfel
prangen
Nicht Steine bilden Ihrer Bogen
Wangen,
Nicht Kunst, Natur ließ Ihre
Linien tagen.
Weinarabesken hat sie
eingeschlagen;
Die Märtyrer Grabmäler nicht
umfangen,
Kein Marmorbischof darf auf
Hügeln prangen,
Windhauche nur, nicht Orgeltöne
klagen:
Tritt ein! Ein Blätterteppich Dir zu Füßen
Wie sanftes Echo läßt die
Tritte hallen;
Horch! wie der Chor singt;
Vöglein durch die Pforte
Des Laubgang’s singen! lausch’
o, lausch’ dem süßen
Gesang’ eh’ er entschwebt,
lern’ niederfallen
Zum heil’gen Gottesdienste ohne
Worte.
(Richard Henry Dana)
In seiner Vaterstadt allte
Kirchhofsräume
In seiner Ahnengruft geweihte
Hallen
Wir legten ihn zum Schlaf’,
gewiß uns Allen,
Daß er von Ruhm’ in stiller
Ruhe träume.
Schnee fiel als ob der Himmel
auf alle Räume
Ließ weiße Paradiesesblumen
fallen; -
Erwacht die Todten schienen
herzuwallen
Ihn rufend, werth der weißen
Kronensäume.
Jetzt Mondesstrahlen auf den
Kirchhof fielen,
Die breite Fläche Schnee ist
nun beschrieben,
Mit Kreuzesschatten der
entlaubten Bäume,
Wie einst das Bahrtuch Saladins
mit vielen
Korankapiteln; ach! was hier
geschrieben
Sind schönere, geheimnißvoll’re
Träume.
Die Nacht, ihr Dunkel, ihre
Stille ziehen
Langsam hernieder, wiederum
entschweben,
Mit ihr des Tag’s Phantome auch
entbeben,
Der Wesen Geister, die nach
Lichte glühen.
Das Volk, das Schrei’n
Verfolgung, und Entfliehen,
Nutzloser Glanz und Prunk, das
eit’le Streben
Der Sorgen, die so schwer das
Herz durchbeben,
Vor uns’ren Augen alle da
entfliehen.
Das bess’re Sein beginnt; uns
nicht mehr quälte
Die Menschheit; die Erinn’rung
wir vernichten
Im düster’n Sammelbuche uns’res
Lebens,
Das wie ein Palimpsest uns
vorerzählte
Was Zeit und Ort Gewöhnliches
berichten; -
Auflebt das Ideal des heil’gen
Strebens.
(28. August 1879)
Ihr lieben Glocken! die Ihr in
nächt’ger Stille
Verrauschte Stunden grüßt, die
Ihr uns immer
In unser’s Hauses dunk’lem,
stillen Zimmer
Anzeigt den Kreislauf ew’ger
Weltenfülle!
Durch die geschloss’nen Augen
schaut mein Wille
Im Aetherraume gold’nes
Sterngeflimmer
In mächt’gen Kreisen, wogend,
wallend immer;
Horch! wie sie singen fliehend
durch die Stille!
Ach, besser ist als Schlaf so
wachend liegen
Hoch überwölbt vom Sternendom’
der Himmel
So unermeßlich groß und weit;
zu fühlen
Die schlummernde Welt
versinken, kaum sich wiegen
Im Strudel, - nur ein Rauschen
von Schaumgewimmel
Des Meer’s unter versinkenden
Schiffeskielen.
Wie Einer der lang keuchend ist
gefloh’n
Vor seinem Feind’, blutend, zum
Fall’ gewandt,
Dreh’ ich mich um, den Rücken
an der Wand,
Schau’ ich Dir, Tod, in’s
Antlitz voller Hohn.
Um Hülfe ruf’ ich, keiner
Antwort Ton;
Allein mit Dir, dem Niemand
widerstand;
Mich Deine drohende Gestalt
nicht bannt,
Phantom bist Du, ein Geistbild,
schwindend schon.
Verwundet, schwach, mit dem
zerbroch’nen Schwert’,
Mit der zerschlag’nen Rüstung,
ohne Schild
Steh’ ruhig ich; mach’ was Du
willst mit mir;
Ich will nicht weichen, ob auch
unbewehrt;
Wo Memmen kämpfen giebt’s kein
Turniergefild;
Und der Besiegte wird zum
Sieger hier.
(23. September 1881)
Oft denk’ ich Derer, die ich
einst gekannt,
Zu Denen mich hinzog wie zum
Magnet’
Mein Herz; sie sind nicht todt
und vor mir steht,
In den Gedanken immer
festgebrannt,
Ihr liebes Bild, anschaut
mich’s unverwandt
Wie grüne Gräber, deren Stein
umzog
Das Moos, um den ihr Haupt die
Flechte bog,
Wo nur der Name unverwittert
stand.
Ist’s so? Erinnern sie nach
langer Zeit
Sich so an mich, so lieb wie
ich an sie?
Darnach zu fragen fürchtet sich
mein Wort.
Doch weshalb bin ich denn voll
Bangigkeit?
Lust, wie die Blume, welkt und
dauert nie,
Doch ihre Wurzeln sprossen
immerfort.
(27. Dezember 1881)
Betrübt, gleich wie ein alter
Rittersmann
Die Waffen sieht die er nicht
mehr kann tragen,
Das blanke Schild, sein
Schwert, das gut geschlagen,
Nun aufgehängt in seiner Halle
Bann,
Weil er die Sehnsucht nicht
bezwingen kann
Nach dem Turnier’, nach kühnem
Schlachtenwagen,
Weil Thräne stets auf Thräne
fällt voll Zagen
Zum weißen Bart’, ihn feuchtet
immer an,
So schau’ ich an die Bücher im
Regale
Einst meine Waffe, meines
Lebens Zier,
Nicht ganz unbrauchbar, doch
gebraucht nicht mehr;
Sie meines ander’n Selbst’s
Erinnerungsmale
Als jung und stark ich durch
der Lust Revier
Hinschritt, das jetzt verwirrt,
bewölkt umher.
(17. Januar 1882)
Wo sind die Dichter, deren Zauberkraft
Aus dem Olymp stammt, deren
Liederpfeile
In’s tiefste Mark eindringen
voler Eile
Von dem mit aller Macht
gebog’nen Schaft’
Wo sind die Sängerschiffe
voller Kraft,
Mit ihren Kielen rauschend
sonder Weile
Helltönend zu dem neuen
Weltentheile,
Mit vollen Segeln von dem Wind’
entrafft?
Vielleicht ein Knabe träumt, in
seiner Schule
Vergessen, läuft durch Feld und
Straßen fort,
Einst Meister seiner Kunst, ein
Riesengeist,
Ein Admiral, der auf dem hohen
Meere
Des Denkens segelt kühn zum
fernen Port’
Von Ländern die noch keine
Karte weist.
(Widmung)
Nichts giebt es das auf Erden
ganz verloren,
Es geht nur unter um neu
aufzuleben
In and’rer Form, wie Wolken
Regen weben
Vom Hauch’ den Land- und
Meeresduft geboren.
Aus zeitzerstörten Grüften und
Emporen
Der Mensch Gebäude schafft; der
Lust Erbeben
Die Qual der Herzen die längst
nicht mehr leben
In Herzen klopft die sind, die einst
geboren.
So aus der Vorzeit Chronik, wo
die Namen
Still schlummern die die Welt
mit Ruhm einst füllten,
Schöpf’ ich dieß Lied mir;
sangesblumensamen
Laß’ wurzeln ich in Spalten
loser Steiner
Um, wie’s mich drängt, mir
Verse d’raus zu bilden;
Begeist’rung zeugen heilige
Gebeine.